Friedrich

Nietzsche

Also sprach Zarathustra

Ein Buch für Alle und Keinen

Thus Spake Zarathustra

A Book for All and None

Translated by Thomas Common
Alignment and Amendments © Doppeltext 2022

TITLE PAGE

ERSTER TEIL

ZARATHUSTRAS VORREDE

DIE REDEN ZARATHUSTRAS

VON DEN DREI VERWANDLUNGEN

VON DEN LEHRSTÜHLEN DER TUGEND

VON DEN HINTERWELTLERN

VON DEN VERÄCHTERN DES LEIBES

VON DEN FREUDEN- UND LEIDENSCHAFTEN

VOM BLEICHEN VERBRECHER

VOM LESEN UND SCHREIBEN

VOM BAUM AM BERGE

VON DEN PREDIGERN DES TODES

VOM KRIEG UND KRIEGSVOLKE

VOM NEUEN GÖTZEN

VON DEN FLIEGEN DES MARKTES

VON DER KEUSCHHEIT

VOM FREUNDE

VON TAUSEND UND EINEM ZIELE

VON DER NÄCHSTENLIEBE

VOM WEGE DES SCHAFFENDEN

VON ALTEN UND JUNGEN WEIBLEIN

VOM BIß DER NATTER

VON KIND UND EHE

VOM FREIEN TODE

VON DER SCHENKENDEN TUGEND

ZWEITER TEIL

DAS KIND MIT DEM SPIEGEL

AUF DEN GLÜCKSELIGEN INSELN

VON DEN MITLEIDIGEN

VON DEN PRIESTERN

VON DEN TUGENDHAFTEN

VOM GESINDEL

VON DEN TARANTELN

VON DEN BERÜHMTEN WEISEN

DAS NACHTLIED

DAS TANZLIED

DAS GRABLIED

VON DER SELBST-ÜBERWINDUNG

VON DEN ERHABENEN

VOM LANDE DER BILDUNG

VON DER UNBEFLECKTEN ERKENNTNIS

VON DEN GELEHRTEN

VON DEN DICHTERN

VON GROßEN EREIGNISSEN

DER WAHRSAGER

VON DER ERLÖSUNG

VON DER MENSCHEN-KLUGHEIT

DIE STILLSTE STUNDE

DRITTER TEIL

DER WANDERER

VOM GESICHT UND RÄTSEL

VON DER SELIGKEIT WIDER WILLEN

VOR SONNEN-AUFGANG

VON DER VERKLEINERNDEN TUGEND

AUF DEM ÖLBERGE

VOM VORÜBERGEHEN

VON DEN ABTRÜNNIGEN

DIE HEIMKEHR

VON DEN DREI BÖSEN

VOM GEIST DER SCHWERE

VON ALTEN UND NEUEN TAFELN

DER GENESENDE

VON DER GROßEN SEHNSUCHT

DAS ANDERE TANZLIED

DIE SIEBEN SIEGEL

VIERTER UND LETZTER TEIL

DAS HONIG-OPFER

DER NOTSCHREI

GESPRÄCH MIT DEN KÖNIGEN

DER BLUTEGEL

DER ZAUBERER

AUßER DIENST

DER HÄßLICHSTE MENSCH

DER FREIWILLIGE BETTLER

DER SCHATTEN

MITTAGS

DIE BEGRÜßUNG

DAS ABENDMAHL

VOM HÖHEREN MENSCHEN

DAS LIED DER SCHWERMUT

VON DER WISSENSCHAFT

UNTER TÖCHTERN DER WÜSTE

DIE ERWECKUNG

DAS ESELSFEST

DAS TRUNKNE LIED

DAS ZEICHEN

COLOPHON

ERSTER TEIL

ZARATHUSTRAS VORREDE

1

Als Za­ra­thustra drei­ßig Jah­re alt war, ver­ließ er sei­ne Hei­mat und den See sei­ner Hei­mat und ging in das Ge­bir­ge.
Hier ge­noß er sei­nes Geis­tes und sei­ner Ein­sam­keit und wur­de des­sen zehn Jah­re nicht müde.
End­lich aber ver­wan­del­te sich sein Herz, – und ei­nes Mor­gens stand er mit der Mor­gen­rö­te auf, trat vor die Son­ne hin und sprach zu ihr also:
»Du großes Ge­stirn! Was wäre dein Glück, wenn du nicht die hät­test, wel­chen du leuch­test!
Zehn Jah­re kamst du hier her­auf zu mei­ner Höh­le:
du wür­dest dei­nes Lich­tes und die­ses Weges satt ge­wor­den sein, ohne mich, mei­nen Ad­ler und mei­ne Schlan­ge.
Aber wir war­te­ten dei­ner an je­dem Mor­gen, nah­men dir dei­nen Über­fluß ab und seg­ne­ten dich da­für.
Sie­he! Ich bin mei­ner Weis­heit über­drüs­sig, wie die Bie­ne, die des Ho­nigs zu­viel ge­sam­melt hat, ich be­darf der Hän­de, die sich aus­stre­cken.
Ich möch­te ver­schen­ken und aus­tei­len, bis die Wei­sen un­ter den Men­schen wie­der ein­mal ih­rer Tor­heit und die Ar­men wie­der ein­mal ih­res Reich­tums froh ge­wor­den sind.
Dazu muß ich in die Tie­fe stei­gen: wie du des Abends tust,
wenn du hin­ter das Meer gehst und noch der Un­ter­welt Licht bringst, du über­rei­ches Ge­stirn!
Ich muß, gleich dir, un­ter­ge­hen, wie die Men­schen es nen­nen, zu de­nen ich hin­ab will.
So seg­ne mich denn, du ru­hi­ges Auge, das ohne Neid auch ein all­zu­großes Glück se­hen kann!
Seg­ne den Be­cher, wel­cher über­flie­ßen will, daß das Was­ser gol­den aus ihm flie­ße und über­all­hin den Ab­glanz dei­ner Won­ne tra­ge!
Sie­he! Die­ser Be­cher will wie­der leer wer­den, und Za­ra­thustra will wie­der Mensch wer­den.«
– Also be­gann Za­ra­thustras Un­ter­gang.

2

Za­ra­thustra stieg al­lein das Ge­bir­ge ab­wärts und nie­mand be­geg­ne­te ihm.
Als er aber in die Wäl­der kam, stand auf ein­mal ein Greis vor ihm, der sei­ne hei­li­ge Hüt­te ver­las­sen hat­te, um Wur­zeln im Wal­de zu su­chen.
Und also sprach der Greis zu Za­ra­thustra:
»Nicht fremd ist mir die­ser Wan­de­rer: vor man­chem Jah­re ging er hier vor­bei. Za­ra­thustra hieß er; aber er hat sich ver­wan­delt.
Da­mals trugst du dei­ne Asche zu Ber­ge: willst du heu­te dein Feu­er in die Tä­ler tra­gen? Fürch­test du nicht des Brand­stif­ters Stra­fen?
Ja, ich er­ken­ne Za­ra­thustra. Rein ist sein Auge, und an sei­nem Mun­de birgt sich kein Ekel. Geht er nicht da­her wie ein Tän­zer?
Ver­wan­delt ist Za­ra­thustra, zum Kind ward Za­ra­thustra, ein Er­wach­ter ist Za­ra­thustra: was willst du nun bei den Schla­fen­den?
Wie im Mee­re leb­test du in der Ein­sam­keit, und das Meer trug dich.
Wehe, du willst ans Land stei­gen? Wehe, du willst dei­nen Leib wie­der sel­ber schlep­pen?«
Za­ra­thustra ant­wor­te­te: »Ich lie­be die Men­schen.«
»Warum«, sag­te der Hei­li­ge, »ging ich doch in den Wald und in die Ein­öde? War es nicht, weil ich die Men­schen all­zu­sehr lieb­te?
Jetzt lie­be ich Gott: die Men­schen lie­be ich nicht. Der Mensch ist mir eine zu un­voll­kom­me­ne Sa­che. Lie­be zum Men­schen wür­de mich um­brin­gen.«
Za­ra­thustra ant­wor­te­te: »Was sprach ich von Lie­be! Ich brin­ge den Men­schen ein Ge­schenk!«
»Gib ih­nen nichts«, sag­te der Hei­li­ge.
»Nimm ih­nen lie­ber et­was ab und tra­ge es mit ih­nen – das wird ih­nen am wohls­ten tun: wenn es dir nur wohl­tut!
Und willst du ih­nen ge­ben, so gib nicht mehr als ein Al­mo­sen, und laß sie noch dar­um bet­teln!«
»Nein«, ant­wor­te­te Za­ra­thustra, »ich gebe kein Al­mo­sen. Dazu bin ich nicht arm ge­nug.«
Der Hei­li­ge lach­te über Za­ra­thustra und sprach also: »So sieh zu, daß sie dei­ne Schät­ze an­neh­men!
Sie sind miß­trau­isch ge­gen die Ein­sied­ler und glau­ben nicht, daß wir kom­men, um zu schen­ken.
Uns­re Schrit­te klin­gen ih­nen zu ein­sam durch die Gas­sen.
Und wie wenn sie nachts in ih­ren Bet­ten einen Mann ge­hen hö­ren, lan­ge be­vor die Son­ne auf­steht, so fra­gen sie sich wohl: wo­hin will der Dieb?
Gehe nicht zu den Men­schen und blei­be im Wal­de! Gehe lie­ber noch zu den Tie­ren!
Warum willst du nicht sein wie ich – ein Bär un­ter Bä­ren, ein Vo­gel un­ter Vö­geln?«
»Und was macht der Hei­li­ge im Wal­de?« frag­te Za­ra­thustra.
Der Hei­li­ge ant­wor­te­te: »Ich ma­che Lie­der und sin­ge sie, und wenn ich Lie­der ma­che, la­che, wei­ne und brum­me ich: also lobe ich Gott.
Mit Sin­gen, Wei­nen, La­chen und Brum­men lobe ich den Gott, der mein Gott ist. Doch was bringst du uns zum Ge­schen­ke?«
Als Za­ra­thustra die­se Wor­te ge­hört hat­te, grüß­te er den Hei­li­gen und sprach: »Was hät­te ich euch zu ge­ben!
Aber laßt mich schnell da­von, daß ich euch nichts neh­me!«
– Und so trenn­ten sie sich von­ein­an­der, der Greis und der Mann, la­chend, gleich­wie zwei Kna­ben la­chen.
Als Za­ra­thustra aber al­lein war, sprach er also zu sei­nem Her­zen:
»Soll­te es denn mög­lich sein! Die­ser alte Hei­li­ge hat in sei­nem Wal­de noch nichts da­von ge­hört, daß Gott tot ist!« –

Friedrich Nietzsche
Also sprach Zarathustra / Thus Spake Zarathustra
Bilingual Edition
Translated by Thomas Common

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