Johann Wolfgang von

Goethe

Novelle

Novella

Translated by Thomas Carlyle
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NOVELLE

COLOPHON

Ein dich­ter Herbst­ne­bel ver­hüll­te noch in der Frü­he die wei­ten Räu­me des fürst­li­chen Schloß­ho­fes,
als man schon mehr oder we­ni­ger durch den sich lich­ten­den Schlei­er die gan­ze Jä­ge­rei zu Pfer­de und zu Fuß durch­ein­an­der be­wegt sah.
Die ei­li­gen Be­schäf­ti­gun­gen der Nächs­ten lie­ßen sich er­ken­nen: man ver­län­ger­te, man ver­kürz­te die Steig­bü­gel,
man reich­te sich Büch­se und Pa­tron­täsch­chen, man schob die Dachs­ran­zen zu­recht,
in­des die Hun­de un­ge­dul­dig am Rie­men den Zu­rück­hal­ten­den mit fort­zu­schlep­pen droh­ten.
Auch hie und da ge­bär­de­te ein Pferd sich mu­ti­ger, von feu­ri­ger Na­tur ge­trie­ben oder von dem Sporn des Rei­ters an­ge­regt,
der selbst hier in der Halb­hel­le eine ge­wis­se Ei­tel­keit, sich zu zei­gen, nicht ver­leug­nen konn­te.
Alle je­doch war­te­ten auf den Fürs­ten, der, von sei­ner jun­gen Ge­mah­lin Ab­schied neh­mend, all­zu­lan­ge zau­der­te.
Erst vor kur­z­er Zeit zu­sam­men ge­traut, emp­fan­den sie schon das Glück über­ein­stim­men­der Ge­mü­ter;
bei­de wa­ren von tä­tig leb­haf­tem Cha­rak­ter, ei­nes nahm gern an des an­dern Nei­gun­gen und Be­stre­bun­gen An­teil.
Des Fürs­ten Va­ter hat­te noch den Zeit­punkt er­lebt und ge­nutzt, wo es deut­lich wur­de,
daß alle Staats­glie­der in glei­cher Be­trieb­sam­keit ihre Tage zu­brin­gen, in glei­chem Wir­ken und Schaf­fen je­der nach sei­ner Art erst ge­win­nen und dann ge­nie­ßen soll­ten.
Wie sehr die­ses ge­lun­gen war, ließ sich in die­sen Ta­gen ge­wahr wer­den,
als eben der Haupt­markt sich ver­sam­mel­te, den man gar wohl eine Mes­se nen­nen konn­te.
Der Fürst hat­te sei­ne Ge­mah­lin ges­tern durch das Ge­wim­mel der auf­ge­häuf­ten Wa­ren zu Pfer­de ge­führt und sie be­mer­ken las­sen,
wie ge­ra­de hier das Ge­birgs­land mit dem fla­chen Lan­de einen glück­li­chen Um­tausch tref­fe;
er wuß­te sie an Ort und Stel­le auf die Be­trieb­sam­keit sei­nes Län­der­krei­ses auf­merk­sam zu ma­chen.
Wenn sich nun der Fürst fast aus­schließ­lich in die­sen Ta­gen mit den Sei­ni­gen über die­se zu­drin­gen­den Ge­gen­stän­de un­ter­hielt,
auch be­son­ders mit dem Fi­nanz­mi­nis­ter an­hal­tend ar­bei­te­te, so be­hielt doch auch der Land­jä­ger­meis­ter sein Recht,
auf des­sen Vor­stel­lung es un­mög­lich war, der Ver­su­chung zu wi­der­ste­hen, an die­sen güns­ti­gen Herbst­ta­gen eine schon ver­scho­be­ne Jagd zu un­ter­neh­men,
sich selbst und den vie­len an­ge­kom­me­nen Frem­den ein eig­nes und selt­nes Fest zu er­öff­nen.
Die Fürs­tin blieb un­gern zu­rück; man hat­te sich vor­ge­nom­men, weit in das Ge­birg hin­ein­zu­drin­gen,
um die fried­li­chen Be­woh­ner der dor­ti­gen Wäl­der durch einen un­er­war­te­ten Kriegs­zug zu be­un­ru­hi­gen.
Schei­dend ver­säum­te der Ge­mahl nicht, einen Spa­zier­ritt vor­zu­schla­gen, den sie im Ge­leit Fried­richs, des fürst­li­chen Oheims, un­ter­neh­men soll­te.
»Auch las­se ich«, sag­te er, »dir un­sern Ho­no­rio als Stall- und Hof­jun­ker, der für al­les sor­gen wird.«
Und im Ge­folg die­ser Wor­te gab er im Hin­ab­stei­gen ei­nem wohl­ge­bil­de­ten jun­gen Mann die nö­ti­gen Auf­trä­ge,
ver­schwand so­dann bald mit Gäs­ten und Ge­fol­ge.

Johann Wolfgang von Goethe
Novelle / Novella
Bilingual Edition
Translated by Thomas Carlyle

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